Weißsein auf dem Prüfstand

Ich bin weiß. Das wusste ich zwar schon in Deutschland, aber der Unterschied zwischen Wissen und sich dessen bewusst sein, kann groß sein. Stephan und ich sind die einzigen Weißen in Alédjo und Umkreis. Wenn wir nach draußen gehen, ziehen wir die Rufe der Kinder wie einen Schleier hinter uns her. „Anasara, Yovo, Yovo, Bonsoir!“ Anasara heißt Weiße_r auf Kotokoli (die Lokalsprache Alédjos), das Wort Yovo kommt aus dem Süden und bedeutet das Selbe. Wenn ich alleine bzw. mit anderen, aber als einzige Weiße unterwegs bin, fühle ich mich manchmal sehr beobachtet und deshalb unwohl. Es ist nicht, dass ich negative Reaktionen bekäme. Einfach die Tatsache, dass man nie in der Menge untertauchen, unbeachtet beobachten kann, stört. Auf der anderen Seite macht der „Sonderstatus“ als Weiße es mir auch sehr leicht, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Die Kinder, die rufen, freuen sich die Anasara zu sehen, lachen und hüpfen herum. Die Menschen haben Spaß daran, kleine Kotokoli-Dialoge mit mir zu führen. Wenn ich zum Tanzen gehe, kommen immer junge (oder auch ältere) Männer, die mit mir tanzen wollen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Aufmerksamkeit, die ich hier automatisch bekomme, mir anfangs fehlen wird, wenn ich wieder nach Deutschland zurückkomme. Obwohl es auch hierbei eine Kehrseite gibt. Ich weiß nicht, wie viele mich schon wunderschön fanden, mich unbedingt kennen lernen, mein Freund sein wollten und wieso nicht gleich heiraten? Wenn man mich fragt, wie es meinem Ehemann geht, sage ich inzwischen, ihm gehe es gut und behalte für mich, dass er überhaupt nicht existiert. Als Weiße werde ich von vielen als wandelnder Geldbeutel gesehen und an dem besteht natürlich Interesse. Ich will nicht, dass bei euch ein falscher Eindruck entsteht. Es sind ein paar Menschen unter vielen, über die ich hier schreibe. Außerdem handelt es sich um flüchtige Bekanntschaften, Menschen, die ich auf der Straße oder auf dem Markt treffe. Wenn ich mit Kollegen und Freunden zusammen bin, habe ich nie das Gefühl, als die Weiße gesehen zu werden, sondern als Individuum, als ich, als Kathi.

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Kommentare: 1
  • #1

    ruthinsancarlos (Mittwoch, 24 Oktober 2012 01:40)

    Das kenn ich irgendwoher... Bei mir ist es nur dann "bonita, blanca, chepa" oder gleich auf Englisch "Beautiful"... Au man, aber es geht noch besser... Hab ich dir schon die Story erzählt, wo ein offizieller Linienbus neben mir in meinem Gehtempo hergefahren ist? Ich dachte, sie denken, dass ich zusteigen will... Und als ich sagen wollte, dass ich nicht mirfahren will, standen da der Busfahrer und die beiden "Bus-Aufpacker-Kassierer" da, haben gewunken und fanden es seehr lustig. War auch lustig xD